Zur Geschichte der Uelser Kirchenglocken

 

Die Inschriften auf den jetzt noch in Betrieb befindlichen Glocken aus dem Jahre 1926.

Die Glocken wurden in Apolda/Thüringen, von der Glockengießerei Schilling gefertigt. Von denen stammt wohl auch der letztens wiedergefundener Zettel. Die Inschriften sind in niederländische Sprache ausgeführt.

 

Übersetzung:

Kleine Glocke 1.:

„ARBEITET NICHT. DIE SPEISE DIE VERGEHT,

DIE SPEISE DES HERRN BLEIBT BIS IN DAS EWIGE LEBEN“

 Mittlere Glocke 2.:

„WENN DER HERR DIE STADT NICHT BEWAHRT, VERGEBLICH WACHT DER WÄCHTER“ 

Große Glocke3.:

„HEUTE WENN DU DIE STIMME DES HERRN HÖRST, VERHÄRTE DEIN HERZ NICHT“

 

 

Zur Geschichte der Uelser Glocken

 

In Uelsen ist es eine jahrhunderte alte Tradition, daß die Gemeinde durch ein volltönendes und im wahrsten Sinne des Wortes "gewichtiges" Geläut zum Gottesdienst gerufen wird. Obwohl im Laufe der Zeit immer wieder neue Glocken angeschafft werden mussten, ist diese tiefe Grundrichtung im Klang immer gleich geblieben.

 

Die älteste Nachricht zu den Uelser Glocken findet sich im sogenannten Mönchsbuch. Eine Notiz aus dem Jahre 1516 lässt sich auch so interpretieren, daß zu einer schon vorhandenen kleineren Glocke mit Namen Maria zwei weitere mit Namen Anna und Katerina hinzu gekommen sind, von denen die schwere 5300 Pfund wog. Da unser Kirchturm wohl erst um das Jahr 1500 endgültig vollendet worden ist, kann man davon ausgehen, daß also 1516 zum erstern Mal ein vollständiges Geläut vom Uelser Turm zu hören war.

 

Im Laufe der nächsten 166 Jahre muß eine weitere Glocke hinzu gekommen sein, da bei dem großen Kirchturmbrand am 17. Februar 1683 vier Glocken herabgestürzt und in der Glut geschmolzen sein sollen. Es wird weiter berichtet, daß aus dem Schutt 9000 Pfund Glockenspeise (Bronze) geborgen wurde. Die ersten Wochen nach dem Brand hat man übrigens die Gemeinde durch Trommelschlag zusammengerufen. Danach tat eine in Amsterdam erworbenen kleinen Glocke (Gewicht 127 Pfund, Kosten 109 Gulden) gute Dienste. Sie hing zuerst in einer Linde, dann auf dem Dachreiter des Rathauses. Heute hängt sie im neuen Rathaus über dem Trauzimmer. Schon im Unglücksjahr 1683 bestellte der Kirchenrat ein neues Geläut. Die schwerste der drei neuen Glocken sollte 4500 Pfund wiegen. Gleichzeitig wurde der Wiederaufbau des Kirchturmes vorangetrieben. Um 1687 stand wieder die hölzerne Spitze, allerdings wesentlich niedriger als vorher. Aus dieser Zeit stammt auch der aus Eiche gefertigter Glockenstuhl. Dieser trägt bis heute unsere Glocken.

 

Gut 150 Jahre später beschlossen die Gemeindeväter einen Neuguß der Glocken. Wohl im Jahr 1839 hat der Glockengießer Dubois auf dem Nackenberg in Uelsen sich ans Werk gemacht. Nach mehreren Anläufen gelang schließlich der Guß, aber das neue Geläut soll weder im Zusammenklang noch in der Qualität vollständig überzeugt haben.

Trotzdem war es natürlich ein äußerst schmerzlicher Verlust, als 1917 im 1. Weltkrieg die zwei größeren Glocken zum Kanonengießen abgegeben werden mußten. Im Jahr 1925 war wieder etwas Geld da, so das der Kirchenratsich entschloß, zwei Glocken neu zu beschaffen. Eine dafür in der Gemeinde aufgelegte Glockenanleihebrachte soviel ein, daß man es wagte, um des besseren Zusammenklanges wegen drei neue Glocken zu bestellen un die alte zu verkaufen. Die Gewichte der neuen Glocken betragen 3300, 1900 und 1300 Kilogramm. Die Aufschrift hat man sinngemäß von den alten übernommen.

Auf der Glocke, die zum Gottesdienst ruft steht:

"HEDEN, ZOO GIJ DES HEEREN STEM HOORT, VERHAARD UW HARTEN NIET (vgl. Hebräer 3. 7-8).

Übersetzung aus der Lutherbibel:

(7)Darum, wie der Heilige Geist spricht: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, (8) so verstockt eure Herzen nicht, wie es geschah bei der Verbitterung am Tag der Versuchung in der Wüste

Die Inschrift auf der Mittagsglocke lautet:

"WERKT NIET AN DE SPIJS, DIE VERGAAT MAAR AN DE SPIJS, DIE BLIJFT TOT IN HET EWIGE LEVEN" (vgl. Johannes 6. 27).

Übersetzung aus der Lutherbibel:

(27) Müht euch nicht um Speise, die vergänglich ist, sondern um Speise, die da bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben; denn auf ihm ist das Siegel Gottes des Vaters.

Auf der Brandglocke steht:

"ZOO DE HEER HET HUIS NIET BEWAARD, TE VERGEEFS DE WACHTER"(vgl. Psalm 127. 1).

Übersetzung aus der Lutherbibel:

(1) Von Salomo, ein Wallfahrtslied. Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.

 

Die Einholung der Glocken im Februar 1926 wurde in Uelsen wie ein kleines Volksfest gefeiert.

 

Ein Eindruck von der feierliche Einholung der Glocken im Februar 1926.

Fotos: Pastor Schumacher

Die große Glocke vor dem Wiedereinbau 1947.


 

Leider hat man damals die neuen Glocken in sogenannten gekröpften Stahljochen aufgehängt (die Glocken schwingen dadurch nicht mehr soweit aus). Diese Aufhängung galt als modern und sollte auch wohl den Glockenstuhl schonen.

Wir wissen nicht, ob man damals minderwertigen Stahl verwendet hat oder ob es einfach der Zahn der Zeit war, der an diesen genieteten Metall-Jochen genagt hat. Auf jeden Fall wurden diese durch Eichenholz-Jochen ersetzt.

Die Glocken selbst sind in einem guten Zustand, auch wenn diese bekanntlich schon sehr viel mitgemacht haben. Im 2. Weltkrieg mußten wiederum alle große Glocken als Metallreserve abgegeben werden. Dies war aber,im Zeitalter der Stahlgeschütze, wohl mehr Schikane als wirkliche Notwendigkeit. 1945 stellte sich jedenfalls heraus, daß der überwiegender Teil der Glocken garnicht eingeschmolzen worden war. Im Jahr 1947 gelang es einigen mutigen Uelsern in einer Art Nacht- und Nebelaktion, die Glocken vom "Glockenfriedhof"  in Hamburg zurück zu holen.

 

 

Wie 1947 die Glocken wieder zurückkamen.

Bericht von Heinrich Baumann (Nackenberg)

 

Mein Vater war zu der Zeit Kirchmeister der ev.-ref. Kirchengemeinde zu Uelsen. Ich kann mich erinnern, daß er wegen der Glocken viel Organisationsarbeit hatte. Von Einzelheiten weiß ich nur, daß er viel der damals gültigen Währung (Speck, Butter, Zigaretten) zusammen gesammelt hat. Aalderinks stellten ihren Lastwagen zur Verfügung, aber ohne Erlaubnis der Militärregierung (englische Besatzungszone) durfte so eine weite Strecke nicht gefahren werden. Auch Diesel gab es nur auf Zuteilung und mit Zustimmung der Besatzungsmacht.

 

Am Dienstag, dem 3. November 1947 ging es dann sehr früh endlich los. Aalderinks Fahrer Veldhoff, mein Vater, Georg Wolterink und vier Jungen (mein Bruder Johann, Gerhard Dasselaar, Erich Kip und ich). Wir mußten versuchen, uns mit Decken und Stroh auf der Ladefläche hinter dem Führerhaus warm zu halten. Im Trümmerfeld Bremen war die für uns günstig gelegene Weserbrücke nur notdürftig hergerichtet, aber eben nicht für solche Lasten zugelassen, die wir auf dem Rückweg mit der Ladung hatten. Unser Fahrer meinte: "Wenn wir dann mit hoher Geschwindigkeit rüberfahren, hat die Brücke keine Zeit nachzudenken." Das hat sich auch bestätigt.

Erst östlich von Bremen fing die Autobahn nach Hamburg an. In Hamburg gab es ein "Glockenbüro". Einer der dort für die Engländer tätigen Leute war ein Herr Schilling aus Apolda, also aus der Glockengießerei, aus der auch unsere Glocken stammen. Mit der nötigen Fettschmierung half er uns zügig zu der richtigen Stelle im Freihafen. Der war aber mit einer Schranke versperrt. Der deutsche Schrankenwärter liess uns nicht durch, weil das jetzt schließlich englisches Hoheitsgebiet sei. Die Schranke reagierte mit Speck. Die Ladestrasse im Freihafen war ein regelrechter Glockenfriedhof. Wir fanden unsere Glocken dank der Beschreibung von Herrn Schilling sehr schnell. Sie waren zwischen vielen Glockentrümmern unversehrt geblieben. Der Kranfahrer konnte uns nicht helfen. Der Strom war ausgefallen. Wir machten aber die Erfahrung , dass mein Vater sogar Volt und Ampere mit seinem Zauberstab "Speck" beeinflussen konnte. So ging es endlich mitsamt unserer Glocken heimwärts. Erst sehr spät kamen wir dort an. Bei der Gastwirtschaft Weerd in Lemke machten wir einen Stopp. Wir meinen uns dunkel erinnern zu können, das von hier aus der Küster Timmer angerufen wurde, der dafür sorgte, das die kleine Glocke ihre großen Schwestern mit Geläut empfing. Auch wurden dort die deponierten Girlanden angebracht.

Die Glocken haben noch mehrere Tage vor dem Turm gestanden. Leider haben wir keine Fotografien. Alle Kameras mussten ja zwei Jahre vorher (1945) abgegeben werden.

 

Der gedruckte Orginaltext