Presseberichte

Mit freundlicher Genehmigung der Grafschafter Nachrichten mit Sitz in Nordhorn

 

Mit der Seidenraupenzucht leisteten die Grafschafter Volksschulen vor gut 80 Jahren einen Anteil an der Kriegswirtschaft während des zweiten Weltkrieges.


 

Am 4. Juni 1936 veröffentlichte der „Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ einen Erlass zur „Förderung des Seidenbaues. Es heißt: „Zur Unterstützung der Bestrebungen, den Seidenbau zu fördern, ist es erwünscht, dass bereits die Jugend über den Seidenbau aufgeklärt wird. Den Lehrern in ländlichen Schulbezirken eröffnet sich hier eine dankbare Aufgabe“. Der damalige zuständige Schulamtsleiter Schweers im Kreis in Nordhorn unterstützte dies und förderte und forderte mit starker nationalsozialistischer Überzeugung die Führertreue.

In den Schulgärten im Altreich wurden Maulbeersträucher angepflanzt und mehrere tausend Lehrer im Seidenbau geschult. Darüber hinaus wurden neue Anpflanzungen von Maulbeerpflanzen in den Schulen in möglichst großem Umfang vorgenommen.

Für die Herstellung von Fallschirmen aus Seide war es von wehrwirtschaftlicher Wichtigkeit während des zweiten Weltkrieges die Schulen und somit die Kinder für den Seidenbau zu gewinnen. Dazu fanden wie am 21. November 1939 in Neuenhaus einige Schulungen statt. Es war verpflichtend, dass von jeder Schule ein Lehrer daran teilnehmen musste. In der Schulchronik von Halle ist Folgendes dazu zu lesen:

 

„Daraufhin wurden im Herbst 1939 von den Schulkindern die für die Pflanzung erforderlichen Vorarbeiten in Angriff genommen. Als Pflanzgelände kam bei uns das für den Schulgarten vorgesehene Grundstück in Frage. Im Frühjahr wurden uns 500 zweijährige Maulbeerpflanzen zugeschickt. Davon wurden 400 in Doppelreihen um das Schulgrundstück gepflanzt, die restlichen 100 wurden an die Schulkinder zwecks Anpflanzung in den Hausgärten verteilt. Die Pflanzen sind zum größten Teil angewachsen und gut gediehen“.

 

 

Auch die Schule Wilsum versuchte sich in den Jahren 1942, 1943 und 1944 in der Seidenraupenzucht.

 

„Im Schulgarten zwischen dem Gehöft Tyman und dem Pastorat waren 272 Sträucher angepflanzt worden. Nach dem Kriege befanden sich noch eine Maulbeerbaumhecke zwischen Pausenhof und dem Weg zum Friedhof, sowie zwei größere Maulbeerbäume auf dem hinteren Platz, die schwarzviolette, brombeerähnliche Früchte trugen. An der Längswand in der ersten Klasse war ein Regal aufgestellt. Es hatte insgesamt etwa eine Länge von 2-3 Meter, eine Höhe von 1,50 bis 2 Meter, sowie eine Tiefe von 60-70 cm. Das Regal war in Fächer aufgeteilt, die den Raupen als Behausung dienten. Die Kokons der Puppen wurden an die Mitteldeutsche Spinnhütte in Celle gesandt. Quelle dazu: Alois Brei, Die Dorfschule in Wilsum in „Die Geschichte eines Dorfes“ Wilsum 2012

 

 

Somit leisteten die Schulkinder der Grafschafter Schulen mit dem Sammeln von Heilkräutern, Textilien, Metall, Glas, Knochen, Leder und der Seidenraupenzucht einen Anteil an der Kriegswirtschaft. In der Unterrichtszeit wurden Maulbeerbaumblätter gesammelt, um damit die Seidenraupen zu füttern. Das Organisieren der Kokons ¹ * musste vom Lehrpersonal übernommen werden. Manche Lehrer, wie in Bentheim Lehrer Kaldemeyer, hatten dabei mit Sachkenntnissen einen besonderen Erfolg in der Züchtung, wie in der Bentheimer Schulchronik zu lesen ist.

Die Seidenraupenzucht liegt seit Jahren in den Händen von Herrn Kaldemeyer, der sich dieser Aufgabe mit Liebe und großem Fleiß unterzieht. Unsere Maulbeerbaumplantage dürfte zu den besten im Kreise zählen. Durch sorgfältige Pflege der Stauden wird eine Blattbreite erzielt, die eine Zucht von 2000 Seidenraupen ermöglicht. Die Aufzucht der Raupe vom Ausschlüpfen bis zur Verpuppung (Kokonbildung) umfasst einen Zeitraum von 45 bis 50 Tagen. Während dieser Zeit müssen die Raupen 2 bis 3 mal täglich gefüttert werden. Durch großen Fleiß und Sachkenntnis hat Herr Kaldemeyer bemerkenswerte Erfolge erzielt. Die einzelnen Klassen der Volks- und Mittelschule besuchen gern den Zuchtraum und verfolgen das Wachstum und die Häutung der Raupen. Folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die Ergebnisse in den letzten Jahren: 1942 1,650 kg, 1943 2,200 kg, 1944 (1.Zucht) 2,250 kg. 1944 (2.Zucht) 2,520 kg. Der Hauptschriftführer der Bentheimer Zeitung besuchte unsere Einrichtungen zur Seidenraupenzucht am 26. Juni und stellte anliegendes Bildchen her, das in der Lokalpresse nebst einem kleinen Aufsatz über die Seidenraupenzucht vorgestellt werden soll.

In alten Unterlagen der Schule Egge sind dazu noch einige Merkblätter der Reichsfachgruppe Seidenbau zu Pflanzung, Schnitt und Düngung erhalten geblieben. Die Maulbeerpflanzen wurden über die Reichsfachgruppe Seidenbauer e.V. Celle bezogen, deren Mitglied die einzelnen Schulen werden mussten.

 

Die Seidenraupenbrut wurde von der staatlich anerkannten Versuchs- und Forschungsanstalt für Seidenbau in Celle bezogen. Ebenso wurde als alleinige Kokon - Anlaufstelle die Seidenwerk Spinnhütte AG in Celle bestimmt. Beteiligte, die gegen diese Anordnung verstießen, wurden mit einer Ordnungsstrafe von bis zu 10 000 RM bestraft. Der Preis für Trockenkokons betrug je nach Sorte von 5,10 bis 8,10 RM je kg für gute Ware. In seinem Buch „Die Spinnhütte Celle im Nationalsozialismus“ beschreibt Manuel Galler die Arbeit und Rüstungswirtschaft in einem Musterbetrieb von 1934 bis 1945. (Verlag für Regionalgeschichte) Die Entstehungsphase der Spinnhütte Celle geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Es folgte ab 1860 in Deutschland bis Anfang der 1930er Jahre keine große Produktion. 1931 wurde der Betrieb In Celle als Namensaktien gegründet ² * und 1932 in eine Aktiengesellschaft übertragen. 1940 übernahm sie die zentrale Beschaffung von Fallschirmseide für das Luftfahrtministerium und zog im Zuge des Arbeitskräftemangels zunächst 50 Zwangsarbeiter aus Polen, später dann weitere 100 Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion hinzu. Bis 1942 wurde die Belegschaft von anfangs 50 Beschäftigten auf 17.000 erhöht. Insgesamt waren 34.000 Arbeitskräfte zu den Spitzenzeiten indirekt dort beschäftigt.1943 war die Spinnhütte der Kriegsmusterbetrieb für das Deutsche Reich. Der Betrieb wurde im Laufe der Zeit ein staatlicher Rüstungsbetrieb mit allen Vergünstigungen der damaligen nationalsozialistischen Regierung. Es wurden in Celle für die Beschäftigten neue Wohnbausiedlungen errichtet. Bis 1996 wurde dort die Produktion im kleineren Maße aufrechterhalten.

 

¹ * Kokon der seidenraupe Seide ist ein tierischer Faserstoff. Sie wird aus den Kokons der Seidenraupe gewonnen.

² * Namenaktien lauten auf den Namen des Eigentümers und müssen im Aktienregister eingetragen werden.

 

Gerrit-Jan Hesselink

 

Maulbeerbaum

Kokon der Seidenraupe







 

Erschienen im "Grafschafter", eine Beilage der "Grafschafter Nachrichten", im Juli 2021.

In Uelsen und der näheren Umgebung gab und gibt es zahlreiche Erhebungen

 Von Gerrit-Jan Hesselink 

Uelsens „Barge“ und „Bülte“: Bearbeiteter Auszug einer Karte von Dr. Geert Geerink.  Ganz gleich, aus welcher Richtung man sich Uelsen nähert, es geht stets bergauf. Dabei liegt die reformierte Kirche als Mitte des Dorfes mit 44 Metern über dem Meeresspiegel nicht einmal auf einem Hügel, sondern fast in einer Senke. Von Wilsum-Ortsmitte aus sind zwölf, von Itterbeck drei und von Emlichheim 30 Höhenmeter Unterschied zur Uelser Kirche zu messen. Von Neuenhaus oder Lage kommend gilt es, 24 Meter zu überwinden.

Wer sich mit den Flurnamen in und um Uelsen beschäftigt, stößt immer wieder auf die Endung „-berg“ oder „-barg“. Dank Dr. Geert Geerink, der dieses 16 Quadratkilometer große Gebiet im Jahr 1977 auf seine Flurnamen hin untersucht und in sechs Teilgebiete unterteilt hat, war es möglich, diesen Bericht zu erstellen. Viele Berge sind abgetragen oder einer Bebauung freigegeben worden.

Von den Uelser Bergen ist der Steenebarg mit knapp 70 Metern die wohl höchste Erhebung innerhalb Uelsens. Hier fanden früher die Reiterfeste statt. Auch über die Hügelgräber auf dem Steenebarg, den Weißen Berg sowie den Rönneberg sind in der Heimatliteratur Berichte veröffentlicht worden.

 



 

Erschienen im "Grafschafter", eine Beilage der "Grafschafter Nachrichten", im Sept. 2020.

 Die „Goldene Wiege“ ist es nicht

von Gerrit-Jan Hesselink

Vor 100 Jahren setzt Uelsen große Hoffnungen in den Abbau von Phosphorit

 

Ein reiches Vorkommen von Phosphorit-Knollen gab vor 100 Jahren, als nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die wirtschaftliche Lage nur wenig rosig war, in Uelsen neue Hoffnung und neuen Mut. Man glaubte, das Vorkommen sei die „Goldene Wiege“ aus der Sage, die Uelsens Wohlfahrt sichern sollte. Nachdem im Frühjahr 1919 der Abbau begonnen hatte, musste aber bereits im Januar 1921 festgestellt werden, dass man die „Goldene Wiege“ wohl doch nicht gefunden hatte.

 

Der Abbau der Phosphorit-Knollen gestaltete sich zunächst einfach. Die Erde an den vermuteten Fundstellen wurde gegraben und durchgesiebt. Die auf diese Weise herausgelösten Phosphorit-Steine, die Knollen ähnelten, wurden gewaschen, verladen und zu Kunstdüngerfabriken gesandt, wo sie gebrannt und gemahlen wurden. So verschaffte man sich begehrten Phosphat-Dünger. Seinerzeit stockte der Bezug von Phosphaten zum Beispiel aus Lothringen, die Landwirtschaft hatte jedoch erheblichen Bedarf.

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Erschienen im "Grafschafter", eine Beilage der "Grafschafter Nachrichten", im Sept. 2017.

Historischer Schwertknauf im Acker

Seltener Fund in Hardingen

 

Vor einigen Jahren entdeckte ein Bauer in Hardingen bei Uelsen einen Eisenklumpen, etwa so groß wie ein Hühnerei. Der Fund kam bei Bodenarbeiten in der Nähe eines etwa 500 Jahre alten Bauernhofs ans Tageslicht. Der Eisenklumpen wies Rillen und einen viereckigen Durchbruch auf. Der Bauer verwahrte ihn wegen dieser Besonderheiten jahrelang. Im Frühjahr 2017 wurde der Gegenstand dem Heimatforscher Benno Sager aus Lage übergeben.

 

Die Rücksprache mit Archäologen und einem Museumsleiter bestätigten seine Ansichten: Es handelt sich hier um einen kannelierten Schwertknauf aus geschmiedeten Eisen. Er ist porig korrodiert und besitzt jetzt noch ein Gewicht von etwa 320 Gramm. Die Form lässt sich als bikonvex bezeichnen. Der größte Durchmesser beträgt 53 Millimeter, die Höhe liegt bei 42 Millimetern. Der vierkantige, sich verjüngende Durchbruch ist maximal etwa 14 mal 10 Millimeter groß. Ein solcher Knauf bildet den Abschluss eines Schwertes und soll das Abrutschen des Schwertes aus der Hand verhindern. Zudem bildet der Knauf ein Gegengewicht zur Klinge. Er verändert die Schwerpunktlage und verbessert die Schwertführung. ...

 


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Durch den kleinen, vierkantigen Durchbruch wurde der Knauf auf die Angel des Schwertgriffs, den Erl, geschoben und vernietet. Auch dekorative Aspekte wie die Kannelierung spielten bei der Knaufgestaltung eine Rolle. Die Frage nach dem Schwerttyp lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Knaufform lässt auf ein spanisches Rapier schließen. In den meisten Teilen Europas war diese Waffe ab dem 16. Jahrhundert verbreitet. Die besonderen Kennzeichen dieser Waffe sind die lange, schmale, doppelschneidige Klinge und ihre ausufernde und aufwendig gestaltete Griffpartien. Aufgrund des hohen Knaufgewichts wäre aber auch eine schwerere Waffe denkbar, etwa ein Haudegen oder ein Reitschwert.

Der 80-jährige Krieg in den Niederlanden und der darin eingebettete 30-jährige Krieg verschonten kaum einen Landstrich. Von 1555 bis 1626 war die Burg Lage in spanischem Besitz. Sie galt als „Raubritternest und Schrecken von Vriesland“ und der 200 Mann starken spanischen Besatzung werden Gewalttaten, Geiselnahmen und Raub in den Bauerschaften zugeschrieben. Denkbar ist also, dass der Schwertknauf hier seinen Ursprung hatte und bei einer Auseinandersetzung in den Boden von Hardingen gelangte.

 

BennoSager hat den Fund dem niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege gemeldet.