Willy Friedrich ein Chronist der Niedergrafschaft

Nachruf in den Grafschafter Nachrichten

von Guntram Dörr

Schreibender Kenner der Heimatgeschichte

 

„Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir vernehmen und erreichen“. Dieses Wort des Schweizer Schriftstellers Max Frisch ist die kurze, aber außerordentlich prägnante Beschreibung dessen, was Willy Friedrich, dem Journalisten und Kenner der Heimatgeschichte, Jahrzehnte lang in ausgeprägter Weise gelungen ist: Er verstand die Menschen, er kannte ihr Wesen – und ganz gewiss hat er sie erreicht. Als Zeitungs-Redakteur schilderte er den Lesern fast 40 Jahre lang das Leben in der Niedergrafschaft. Dort fühlte er sich zu Hause. Er starb am vergangenen Freitag nach schwerer Krankheit 78-jährig in Uelsen. Das war seine Heimat.

Als Willy Friedrich 1949 erstmals für die Grafschafter Nachrichten zu Feder und Fotoapparat griff, war die Ausgangs- und Auftragslage klar. Um den Norden des Verbreitungsgebietes für die Tageszeitung zu erschließen, hatte Verleger Georg Kip den jungen Verwaltungsangestellten ins Boot geholt. Und das tat der Uelser, wie es seine Art war, mit beobachtender Neugierde, teilnehmenden Interesse, einer gewiss notwendigen Portion Unerschrockenheit und der Erfahrung einiger Soldatenjahre als Berichterstatter für das Deutsche Nachrichtenbüro während des Krieges. Bald sah man Willy Friedrich mit Block, Bleistift und seiner Rollei-Flex durch die Niedergrafschaft ziehen, wo er die wirtschaftliche Entwicklung, das Geschehen in den Gemeinderäten, in Vereinen und Verbänden und – besonders – in der Landwirtschaft berichtend und kommentierend begleitete. Sehr schnell fand der Verleger in seinem neuen Mitarbeiter auch eine wertvolle Stütze für die GN-Heimatbeilage „Der Grafschafter“. Schon in jungen Jahren wurde Willy Friedrich zum Chronisten der Niedergrafschafter Heimatgeschichte. Er ist es bis zuletzt geblieben, denn ihr gehörte sein Herz.

Waren das Zeiten für einen Journalisten, der mit offenen Augen und Ohren unterwegs war. In Osterwald spie die Erde das „Schwarze Gold“ aus dem Boden, der Mensch bändigte die Vechte, den „Grafschafter Schicksalsstrom“, und rang dem Moor neues Ackerland ab. Straßen und Motorisierung brachten die Menschen in Uelsen und Emlichheim, Neuenhaus und Wietmarschen einander schneller näher als je zuvor, Sport, Kultur und neue Kommunikationswege nahmen starken Aufschwung, Wohlstand und Ansprüche wuchsen auch in der Niedergrafschaft, wo Willy Friedrich diesem Puls der Zeit zwar folgte, dabei aber stets schreibend mahnte, das Bewährte und Althergebrachte nicht aus den Augen zu verlieren.

Wenn er also, für die GN und den „Grafschafter“, sein journalistisches Mühen in besonderer Weise in den Dienst der Ahnenforschung und der Brauchtums- und Landschaftspflege stellte und schreibend für den Erhalt der plattdeutschen Sprache stritt, dann aus der Einsicht, dass der Mensch seine Wurzeln nicht vergessen darf. Der Heimatverein der Grafschaft Bentheim, die Hobby-Genealogen und die Emsländische Landschaft sind ihm dafür zu Dank verpflichtet.

1987 von den GN in einen überaus aktiven Ruhestand verabschiedet, mehrte der „Grafschafter von Geblüt“ sein ohnehin reiches Wissen um Heimat, Land und Leute. Und alle, die das Glück hatten, ihn von Erlebtem erzählen zu hören, waren beeindruckt vom fabelhaften Gedächtnis des reformierten Christen, der mit Gottvertrauen und „Bodenhaftung“ auf das Getane zurückblickte. „Gewaltig“, so nannte er jüngst noch die Entwicklung der Grafschaft „vom abgelegenen und rückständigen Fleckchen Erde zu dem, was sie heute ist“.

Die Niedergrafschaft und das Kirchspiel Uelsen sind ohne Willy Friedrich, den Mann der klaren Worte, ärmer geworden. Sein Werk bleibt, und es ist verstanden worden