Eine Nachbarin spielte den Weihnachtsmann

Von links die Häuser Reinders (2023 Mine), Werkstatt Reinders, Büter-Wolf, Kip und halb auf dem Bild Textilgeschäft Diek. Hinten links auf dem Bild die Gaststätte Vorrink neben dem alten Rathaus.

 

 

Die Aufnahme von 1956 zeigt den Neubau der Familie Büter-Wolf. Links die Werkstatt Reinders und rechts das Wohnhaus der Familie Kip.

 

 

 


Christel Hömberg, geb. Husemann erinnert sich an das Weihnachtsfest 1955 in Uelsen

 

Ich wohnte mit meinen Eltern und meiner vier Jahre jüngeren Schwester in Uelsen im Hause meiner Oma und meiner Tante. Weihnachten kündigte sich an, wenn am Adventskalender das erste Türchen aufgemacht wurde und wenn bei Reinders (2023 Geschäft Mine) das große Schaufenster mit Spielzeug dekoriert wurde. Rund um die vielen Herrlichkeiten fuhr eine elektrische Eisenbahn, verschwand in einem Tunnel und kam am anderen Ende wieder zum Vorschein. Manchmal durfte ich den Zug auch starten oder ihn sogar rückwärts fahren lassen.

 

Die Puppe verschwand und manchmal auch noch anderes Spielzeug. Sie seien in der Weihnachtsmann-Werkstatt, wurde mir gesagt. Mein Vater spielte auf der Mundharmonika und meine Mutter backte „Kräppelchen“, ein Fettgebäck mit viel Puderzucker. Am Nachmittag vor dem Heiligen Abend machte ich mit meiner Tante einen Spaziergang durch das Dorf, um zu gucken, ob der Weihnachtsmann schon irgendwo zu sehen war. Immer war irgendwo ein Weihnachtsmann zu sehen und einmal fuhr sogar einer mit einer Pferdekutsche durch den Ort und zu meinem Entsetzen an unserem Haus vorbei. In der Küche meiner Oma wurde dann auf den Weihnachtsmann gewartet. Mein Vater lief immer hin und her und er war es auch, der den Weihnachtsmann entdeckte und ihn lautstark auf den richtigen Weg in unsere Küche – ein Wohnzimmer hatten wir damals nicht – brachte, denn in jedem Jahr hatte der Weihnachtsmann Schwierigkeiten den Weg dorthin zu finden. Wenn dann der Weihnachtsmann die Treppe zu unserer Küche hinauf polterte, verschwand ich vorsichtshalber hinter dem Sessel meiner Oma.

 

Wenn wir dann in unsere Küche kamen, brannten die Kerzen am Weihnachtsbaum, die Puppe war wieder da, es gab neues Spielzeug, nur der Weihnachtsmann war immer schon weg. Als ich etwas älter wurde und nicht mehr so recht an den Weihnachtsmann glaubte, saß doch tatsächlich der Weihnachtsmann in der Küche und meine Eltern waren da und ich kannte auch niemanden, der diesem Weihnachtsmann ähnlich sah. So glaubte ich noch einmal für eine Zeit an diesen Weihnachtsmann und es war eigentlich eine Enttäuschung, als ich erfuhr, dass mein Vater mit Holzschuhen den Weihnachtsmann gespielt hatte. Und der, der in der Küche saß, war eine Nachbarin, die die Rolle ganz toll spielte.

 

An einige Geschenke denke ich auch heute noch gerne. Einmal bekamen wir einen Puppenwagen, in den meine zweijährige Schwester brüllend hinein wollte und im nächsten Jahr bekamen wir für die Puppenstube ein Badezimmer und eine Toilette, die von meiner Schwester sofort eingeweiht wurde. Nach dem Essen – es gab immer Kartoffelsalat und Heißwurst – durften wir so lange aufbleiben wie wir wollten, aber wir waren so müde von den Ereignissen des Tages, dass wir immer sehr schnell ins Bett wollten.

 

Am ersten Weihnachtstag gab es immer Kalbsnierenbraten und am zweiten Weihnachtstag Hochzeitssuppe, damit am Nachmittag genug Platz für den Christstollen und abends für die Schweinskopfsülze, von meinem Vater, der aus Sachsen stammte „Gallertschüssel“ genannt war. Geblieben sind die Erinnerungen und Puppenstubenpüppchen „Hannchen“, die noch immer das Kleid trägt, welches ich ihr vor vielen Jahren mal gehäkelt habe.

 

Im Jahre 1955 war unser letztes Weihnachtsfest in dem alten Ackerbürgerhaus in Uelsen am Markt. Es wurde abgerissen und auch der im Jahre 1956 entstandene Neubau steht heute nicht mehr. Der Bereich gehört seit 1989 zum Textilgeschäft Diek. Im Jahre 2023 besteht auch das Geschäft Diek nicht mehr.

 

 

 

 

 

 

Kinder vor dem Geschäft Reinders (2023 Mine).

 

Aufnahme von 1963 von Willy Friedrich