Die alte Schmide von ten Hagen

 

Aufnahme aus den 1930er Jahren. Gebäude von links: Haus der Familie Schroer, Schmiede ten Hagen und Lager der Firma Diek. Rechts das Wohn- und Geschäftshaus ten Hagen.

 

2021 von links: LVM-Versicherung Gülker und Kreissparkasse. Rechts: Das Gebäude wurde bis 2021 vom Ev. Krankenhausverein Emlichheim genutzt und wird demnächst eine Bildergalerie beherbergen.

 

Bericht in der Heimatbeilage „Der Grafschafter“ vom August 1989 von Willy Friedrich

 

Das Schmiedefeuer brennt nicht mehr

 Ein Stück Uelsener Familien-, Handwerks- und Ortsgeschichte

 

In einigen Wochen wird Heinz ten Hagen nicht mehr seinen Vorschlaghammer schwingen oder glühendes Metall mit rhythmischen Hammerschlägen auf dem Amboss formen. Seine Schmiede, in der Jahrzehnte die Esse glühte, der Hufbeschlag im wahrsten Sinne des Wortes ein Teil des täglichen Brotes der Familie ten Hagen ausmachte und schwere hölzerne Wagenräder mit nicht minder schweren Eisenreifen bezogen wurden, wird der Spitzhacke zum Opfer fallen. Damit ist Alt-Uelsen um eine Attraktion ärmer.

 

Bereits im Jahre 1808 wurden in dem bedeutsamen Kirchdorf drei Hufschmiede registriert. Diese Zahl hat sich bis in die fünfziger Jahre hinein konstant gehalten. Dann setzte ein durchgreifender Wandel ein. Aus den meisten Schmieden wurden Schlossereien, der metallgestaltende Beruf wurde vielfach zum Kunsthandwerk. Ansprechende Treppengeländer, schwere Eisentore oder Leuchten sind typische Erzeugnisse aus der (Kunst-)- Schmiede.

 

Das Schmiedehandwerk ist eines der Berufsbilder in der Metallinnung. Hinzu kommen die Schlosser, Maschinenbauer und Dreher. In der Art der Metallbearbeitung liegt der wesentliche Unterschied zwischen diesen Berufen.

 

Historische Berufsbezeichnungen haben heutzutage nur noch eine kurze Lebensdauer. Dafür sorgt die technische Revolution mit all ihren positiven und negativen Begleiterscheinungen. Wenn Heinz ten Hagen die Türen seiner Schmiede endgültig schließt, gibt es in Uelsen keine Schmiede im Althergebrachten klassischem Sinn mehr.

 

Viele Familiennamen finden ihren Ursprung in der Berufsbezeichnung der Väter und Vorväter. So ist es auch beim Schmied, der bei dem Namen Schmidt Pate gestanden hat.

 

Heinz ten Hagen, der jetzige Besitzer des Betriebes, ist mittlerweile 68 Jahre alt. Er nahm am 1. April 1935 im elterlichen Familienbetrieb seine vierjährige Lehre auf. Vater Johannes ten Hagen war sein Meister. Er stammte aus Uelsen, wurde in der Schmiede Harmsen in Wilsum ausgebildet und in der evangelisch-reformierten Kirche in Wilsum konfirmiert.

 

Johannes ten Hagen machte sich im Jahre 1914 in Uelsen an der Mühlenstraße selbständig. Seine Werkstatt mit einem kleinen Laden (Eisenwaren) befand sich im heutigen Wohn- und Geschäftshaus ten Hagen. Bis zum Jahre 1925 blieb es so. Dann hatte ten Hagen Gelegenheit, in unmittelbarer Nähe eine neue Schmiede zu bauen. Später wurde sie erweitert. Schwerpunkte des täglichen Schaffens waren, wie schon gesagt, der Huf- und Wagenbeschlag. Schätzungsweise 1200 Pferde erhielten in der Blütezeit jährlich in der Schmiede neue Hufeisen. Bei vier Eisen musste der Pferdehalter 2,40 Mark „berappen“. Das geht aus den Geschäftsbüchern hervor, die Johannes ten Hagen fein säuberlich geführt und Heinz ten Hagen sorgfältig aufbewahrt hat. Im Jahre 1914/15 lag der Stundenlohn für einen Gesellen bei 0,60 Mark. Zwei „getragene“ Hufeisen wurden für 0,50 Mark fachmännisch umgesetzt. Eine Eisengabel für eine Fleischgaffel kostete, man lese und staune, 0,30 Mark.

Als ersten Lehrling beschäftigte der Firmengründer Johann Warrink. Er ist inzwischen verstorben. Der zweite Lehrling Heinrich Körner lebt noch und ist jetzt 88 Jahre alt.

Johannes ten Hagen starb im Jahre 1968 im Alter von 78 Jahren und seine Ehefrau Hendrika im Dezember 1982.

Heinz ten Hagen führte die Schmiede weiter. Seine Ehefrau Lucia übernahm das Eisen- und Haushaltswarengeschäft. Heinz ten Hagen stellte sich nach und nach auf die Schlosserei um. In seiner Schmiede blieb jedoch alles beim Alten. Und diese Tatsache machte den besonderen Reiz des Betriebes aus. Heinz ten Hagen bestand seine Gesellenprüfung und wurde dann Soldat. Erst im Jahre 1948 kehrte er aus russischer Kriegsgefangenschaft in seine Grafschafter Heimat zurück.

 

Der nicht aufzuhaltende Strukturwandel im Schmiedehandwerk veranlasste Sohn Johannes Heinz, nicht in den väterlichen Betrieb einzutreten, sondern sich dem Maschinenbau zuzuwenden. Heute arbeitet er als Maschinenbaumeister in einem großen Nordhorner Unternehmen.

 

Vater Heinz ten Hagen hat derweil seiner Esse, dem Amboss und dem Hammer die Treue gehalten. Seine Schmiede war in den vergangenen Jahren nicht nur ein selten gewordener Arbeitsplatz mit einer ihm eigenen Atmosphäre, sondern darüber hinaus auch ein gern besuchtes „Kommunikationszentrum“ in der Ortsmitte von Uelsen. Hier trafen und treffen sich täglich mehrere Bürger zu einem ungezwungenen „Pröatken“. Sie bedauern verständlicherweise den bevorstehenden Abriss der originellen Schmiede.

 

Das freiwerdende Gelände soll demnächst zusätzliche Parkflächen für Kraftfahrzeuge bieten. Sicherlich sind derartige Anlagen im Ortszentrum wichtig. Sie können aber niemals die alte, nostalgische Schmiede mit dem flackernden Feuer, dem glühenden Eisen, der knirschenden Bohrmaschine und dem „singenden“ Amboss ersetzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufnahme von Anfang 1968. Firmengründer Johannes ten Hagen mit seinem Enkel Johannes Heinz.

 

 

Aufnahme vom August 1989. Heinz ten Hagen in seiner Schmiede.

 

Aufnahme vom September 1989. Zum Abschied kurz vor dem Abbruch. Ehrenbogen der Nachbarschaft „Lotshook“.