Weihnachten mit der Familie

Das Haus Spalink (2023 Friseurgeschäft) gegenüber der reformierten Kirche.

Eine Hochzeitsgesellschaft in den 1940er Jahren vor dem Uhrmachergeschäft Kohlmann. 


Christel Hömberg, geborene Husemann schreibt über Weihnachten

 

Geboren bin ich 1946 und lebte zehn Jahre mit meinen Eltern und meiner vier Jahre jüngeren Schwester in Uelsen in einem alten Ackerbürgerhaus schräg gegenüber der Kirche zwischen Reinders (2023 Mine) und Diek, bei Büters Dina meiner Oma.

 

Die Vorweihnachtszeit begann mit dem Nikolausabend. Die Schuhe wurden blank geputzt und kamen mit einem Stück Brot für das Pferd des Nikolauses auf die Fensterbank und wenn es richtig dunkel war, war, oh Wunder, das Brot verschwunden und die Schuhe mit Naschsachen gefüllt, eine Köstlichkeit, denn nur selten gab es Süßes in dieser Zeit.

 

Wenn bei Reinders das große Fenster mit Spielsachen dekoriert wurde und die Eisenbahn ihre Runden drehte, war der Wunschzettel fällig – erst mit gemalten Bildern später dann geschrieben und toll verziert.

 

Es gab „Kräppelchen“, selbst gebackene Plätzchen und natürlich den Stollen, denn mein Vater stammte aus Meißen. Er spielte Mundharmonika. Meine Oma brachte mir mit ihrer heiseren Stimme das Lied „Alle Jahre wieder“ bei und noch bevor ich lesen konnte, las meine Tante mir das Gedicht „Vom Himmel in die tiefsten Klüfte, ein milder Stern herniederlacht…“ vor.

 

Ich lernte es auswendig und gab es stolz im ersten Schuljahr vor vielen älteren Schülern zum Besten. Lehrer Wüppen stellte mich auf einen Stuhl, weil ich so klein war und nannte mich „Christkind“. Bei einem Klassentreffen, er war inzwischen schon um die 80 Jahre alt, wusste er das noch und ich freute mich, den Spitznamen aus glücklichen Kindertagen noch einmal zu hören.

 

Vor dem Heiligabend wurden wir noch einmal gebadet, wie immer in einer Zinkbadewanne in der Küche. Ich wurde noch einmal aufs Töpfchen gesetzt. Ich hatte damals noch blonde Locken und hielt meine erste Puppe Zara, selbstgenäht von meiner Mutter, auf dem Arm. Es gab ja noch keine Puppen zu kaufen. Zara hatte ein blaues Kleid, Haare aus gelbem Garn, war mit Kämmlingen von Niehues und Dütting (später NINO) gefüllt und verkohlte sich später das Gesicht an den Ringen des Kochherdes, die am Herd hingen. Sie wurde weggeschmissen und ich war sehr traurig, denn die schwarze Backe störte mich nicht und auch nicht, dass sie mittlerweile doch ziemlich müffelte.

 

Und dann kam endlich der Weihnachtsmann. Wie immer mit viel Getöse. Bei aller Freude hatte ich doch jedes Mal etwas Angst. Immer hatten wir einen schönen Baum mit Kerzen, Süßigkeiten und später auch mit Kugeln und Lametta das im ersten Jahr noch selber geschnitten wurde.

 

In der engen, aber warmen Küche – dank Torf, der im Herbst geliefert wurde, und Kohlen die wir im Leiterwagen von Aalderink holten und im ehemaligen Ziegenstall lagerten – feierten wir Weihnachten. Mein Vater erzählte Streiche aus der Kinderzeit und wir spielten mit unseren neuen Spielsachen. Eine Zeit mit vielen Entbehrungen aber auch mit schönen Erinnerungen und noch heute blättere ich gerne in alten Fotoalben und erinnere mich.

 

Weihnachten 1954 bekam ich ein grünes Rixe-Fahrrad. Einige Zeit vorher musste ich mich bei Reinders auf dieses Rad setzen und mir wurde erzählt, es sei für ein Kind, das genauso groß ist wie ich. Ich war enttäuscht. Umso größer war der Jubel am Heiligen Abend, als dieses Fahrrad unter dem Baum stand. Meine ersten Fahrversuche machte ich auf der Diele des Hauses zur „Begeisterung“ meiner Tante, die sich über die Streifen an der Haustür „freute“, wenn ich gegen diese fuhr, denn bremsen konnte ich noch nicht.

 

Meine erste Radtour machte ich mit meinem Vater auf den Weißen Berg und ich weiß noch gut, dass mir der Po weh tat. Eine Kindheit in einem sicheren Umfeld, verschlossene Türen gab es selten. Ich sehe noch heute Oma Spalink durch das Fenster der Küchentür lugen, wenn jemand das Haus betrat, sehe Opa Timmer zum Läuten der Glocken in die Kirche gehen, höre Herrn Kohlmann genannte „Kohlheine“ Busemann sagen, wenn er mich ärgern wollte, und Kohlmanns Gerhard drohte mit der Zange zum Ohrlochstechen. Wir flohen kreischend, wussten aber genau, dass er nur Spaß machte.

 

In der Uhrmacherwerkstatt, wo Vater und Sohn mit Lupen Uhren reparierten und manchmal auch Löcher in die Ohren knipsten und Ohrringe anbrachten, bewunderten wir die vielen Einzelteile von kleinen Uhren die in Gläsern in einer Flüssigkeit gereinigt wurden und die schönen großen Uhren, bis hin zur Standuhr wie aus dem Märchen.

 

Bei Onkel Reinders in der Werkstatt wurden Räder und Motorräder repariert, wir suchten die Kugellagerkugeln aus den Ritzen im Werkstattboden und bekamen manchmal eine alte Felge, die wir mit einem Stock durchs Dorf trieben. Immer begleitete uns das Schlagen der Turmuhr, das Läuten der Glocken und der Klang der Orgel, die aus der Kirche drang, wenn Leo Sligt übte, durch den ganzen Tag – ein Klang den ich noch heute vermisse.

 

Spielende Kinder um 1950 in der Nähe der reformierten Kirche am Markt. Im Hintergrund der Landhandel Wolterink an der Wilsumer Straße. Vorne auf dem Foto = Christel Hömberg, geborene Husemann.

Küster Jan Timmer in der reformierten Kirhe.