Beschreibung der Fahnen des Dorfes

Weiter unten: Aus der Zeitungsbeilage „Der Grafschafter“ vom November 1953 von Willy Friedrich "Dorffahnen sprechen uns an".

 

 

Dorffahne von 1884

 

Die damals neue Dorffahne hat ihre Premiere bei der Einholung von Pastor Deddo Schulte im Jahre 1884. Deddo Schulte war von 1884 bis zu seinem Tod am 17.08.1933 Pastor der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Uelsen. Die Fahne wird heute im Jahre 2021 im alten Rathaus aufbewahrt.

 


 

Fahne vom Kriegerverein von 1895


 

Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 kam es in Deutschland in vielen Orten vermehrt zur Gründung der Kriegervereine. Die Fahne hat auf der einen Seite folgenden Spruch:

 

„Wir Deutsche fürchten Gott – Sonst niemand auf der Welt“

 

Nachfolgend eine Erläuterung zu diesem Spruch:

Reichskanzler Otto von Bismarck hält am 6. Februar 1888 eine Grundsatzrede zur Außenpolitik im Deutschen Reichstag. Darin betont er ausdrücklich seinen Willen zur Friedenssicherung in Europa und spricht dabei die geflügelten Worte: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt…“

Der Satz ziert bald als Ausdruck nationaler Stärke Postkarten und Schmuckteller und eben Fahnen.

Darüber gerät Bismarcks zweiter Halbsatz in Vergessenheit: „Und diese Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt“.

In der Zeit des Nationalsozialismus wird dieser Satz dann wieder verstärkt mit folgendem Wortlaut aufgegriffen: Der Deutsche fürchtet Gott zwar, doch einen anderen nicht. Es kann nur einer siegen und das sind wir“.

Die Fahne vom Kriegerverein war zunächst nach dem 2. Weltkrieg für einige Jahren verschollen und ist Anfang der 1950er Jahre wieder aufgetaucht und befindet sich heute im alten Rathaus.

 


 

 

Fahne des Schützenvereines von 1906


 

Die Fahnenweihe erfolgt auf dem Schützenfest im Jahre 1906. Das Königspaar sind in diesem Jahr Zwier Engbers und Fenna Weerd. 1. Präsident ist Hermann Veddeler und Hermann Vos ist 1. Kommandeur. Die Fahne hat auf der einen Seite folgenden Spruch „Ueb Aug und Hand fürs Vaterland – Gut Ziel“. Und auch dieser Spruch ist dem damaligen Zeitgeist in der Kaiserzeit entsprungen. Die Fahne wird bis heute am Schützenumzug am Sonntag mitgeführt und befindet sich ansonsten im alten Rathaus.


 Dorffahne von 1950

 

Die Fahnenweihe erfolgt 1950 auf dem Schützenfest (100 Jahre Bürgerschützenverein Uelsen). Sie wird an den Schützenverein übergeben. Königspaar sind in diesem Jahr: Albert Sietzen und Sophie Müller. 1. Präsident = Heinrich Voet – 1. Kommandeur = Gerrit Blekker. Sie wird am Schützenumzug am Sonntag mittlerweile von Mitarbeitern der Gemeindeverwaltung getragen und befindet sich im neuen Rathaus.

 


 

 

Fahne des Schützenvereines von 1996


 

Die Fahne wird erstmalig präsentiert auf dem Schützenfest 1996 und auch bei auswärtigen Jubiläums Schützenfesten wird sie bei den Umzügen mitgeführt. Sie trägt den Spruch: „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Für die Fahne wurde eigens ein Schrank gebaut und sie befindet sich im Feuerwehrhaus, weil im neuen Rathaus kein geeigneter Platz zur Verfügung steht.

Königspaar sind in diesem Jahr Gerwin Kortman und Tanja ter Heide. Der 1. Präsident ist Paul Ricken.

Der 1. Kommandeur ist Johann Koning.

 


 

Dorffahnen sprechen uns an

Symbole echten Gemeinschaftsgeistes

Aus der Zeitungsbeilage „Der Grafschafter“ vom November 1953 von Willy Friedrich

 

Wenn ich hier den Versuch mache, ein kleines Kapitel alter Uelsener Ortsgeschichte wieder aufleben zu lassen, dann werden sicherlich viele Leser nicht recht verstehen, weshalb ich gerade die Dorffahnen zum Anlass nehme, um aus der alten Zeit zu plaudern. Es gibt nämlich Zeitgenossen, die grundsätzlich gegen jede Fahne sind. So ist es heute. So war es früher. Denn alles ist ja schließlich schon einmal dagewesen.

Für mich sind die jetzt fein säuberlich in einem passenden Schrank aufbewahrten Uelsener Dorffahnen im gewissen Sinne Zeugen längst vergangener Tage. Wieso und weshalb, das soll nachfolgend gesagt werden.

Die ganz alte Dorffahne gibt es nicht mehr. Längst ging sie den Weg alles Irdischen. Manche nette kleine Episode rankt sich aber um dieses Symbol mit dem springenden Niedersachsenross. Die Embleme des Welfenhauses waren der preußischen Verwaltung ein Dorn im Auge, nachdem sie am 19. Juli 1866 Hannover unter ihre Fittiche genommen hatte. Bis in das kleine Kirchdorf Uelsen drang die neue Zeit vor. Und mit ihr Arm in Arm marschierte die neue preußische Ordnung. Zur Feier der Übergabe wurde selbstverständlich geflaggt. Ebenso selbstverständlich war es, dass Bürgermeister Wedekind den Gemeindediener Hindrik Frantzen beauftragte, in üblicher Form den dörflichen Verpflichtungen nachzukommen. Frantzen, pflichtbewusst, wie er nun einmal zu sein hatte, entledigte sich gewissenhaft seiner Aufgabe, ohne auch nur auf den Gedanken zu kommen, dass er auf dem besten Wege war, eine revolutionäre Handlung zu vollziehen. Er sorgte dafür, dass die alte Dorffahne vom Turm der reformierten Kirche gehisst wurde. Es dauerte gar nicht lange, da hatte der noch pflichtbewusstere Ortsgendarm Schettler (Vorgänger von Thurmann) von der „oppositionellen Flaggenparade“ Wind bekommen. Das wurde ja noch schöner: Ein preußisches Dorf hisste frank und frei die hannoversche Fahne. Wo blieb da die für eine öffentliche Körperschaft zu erwartende Solidarität? Der alte Soldat Schettler witterte Morgenluft: Das Vaterland war in Gefahr. Im Geiste sah es sich gegen die Uelser marschieren. Sofort wollte er diesen Aufstand im Keime ersticken. Befehl: Fahne einholen! Es mochte ein wenig selbständig gehandelt sein, aber auf jeden Fall so, wie es die preußische Beamtenordnung vorschrieb.

Bürgermeister Wedekind, gar nicht so preußisch, war offenbar anderer Auffassung. Er setzte sich mit dem Amt Neuenhaus in Verbindung und erreichte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Uelsen durfte seine alte Dorffahne bei jeder Gelegenheit hissen oder mittragen. Damit war auch „de jure“, die gute Absicht des Dorfes anerkannt.

Arg zerzaust sah diese Fahne aus. So lange wie eben möglich hat man sie geflickt. Es ist schade, dass sie verloren gegangen ist.

Ein Dorf ohne Fahne ist eben kein Dorf. Deshalb entschloss man sich in Uelsen für eine Neuanschaffung. Eine Gelegenheit dazu war gegeben, als der schon längst verstorbene Pastor Schulte im Jahre 1884 nach Uelsen kam. Ein wunderschöner Festzug bereitete dem neuen Seelsorger einen würdigen Empfang. Mit Pferden ritt man ihm bis zum Kloster Frenswegen entgegen. Prächtig eskortiert traf der Zug in Uelsen ein, an der Spitze die neue Fahne, zu der jeder Haushalt sein Scherflein gegeben hatte.

Dieses „Tuch“ hat manchen Sturm überdauert. Unter Heu und Stroh musste es versteckt werden in jener Zeit, als nach dem zweiten Weltkrieg Fahnen arg verpönt waren.

Diese Wochen und Monate sind längst vorüber. Und wir wollen uns nicht unnötig mit trüben Erinnerungen belasten, zumal sich auch die damals verschwundene Kriegervereinsfahne von 1895 wieder eingefunden hat.

In jenen Jahren aber als Uelsen ohne war und das Jubiläums Schützenfest (100-jähriges Bestehen) 1950 vor der Tür stand beschloss der Gemeinderat eine neue Dorffahne zu beschaffen. Nach einem Entwurf von Prof. W. Frantzen wurde sie gefertigt. Und Senior Heinrich Frantzen sprach den Weihespruch, als die offizielle Übergabe an den Schützenverein erfolgte.

Seither ist Uelsen fahnenmäßig gut gestellt. Mehr noch: Es hat sogar sein Niedersachsenross wieder, im Volksmund „et Pärdken“ genannt, das von alters her den Knauf der Dorffahne zierte. Fahnen verkörpern Tradition. Nichts lag deshalb näher, als die neue Dorffahne von 1950 mit dem alten Niedersachsenross zu zieren.

Fahnen reden ihre eigene Sprache, insbesondere dann, wenn sie vom Alter bleich geworden sind. Gute und schlechte Tage haben sie kommen und gehen sehen. Unbewusst erleben sie ein Stück Dorfgeschichte mit. Als Zeugen der Vergangenheit und Brücken zur Gegenwart müssen wir sie sehen, diese Symbole eines echten Gemeinschaftssinnes. Als Ausdruck dörflichen Zueinander Gehörens in Freud und Leid sollten wir sie in Ehren halten.